Chancengerechtigkeit und soziale Mobilität: TFA Fellow Ken Goigner über seine Erfahrungen und Zukunftspläne

Ken Goigner, TFA Fellow an einer Polytechnischen Schule in Wien, spricht über seine Motivation, sich für das Social Leadership Programm zu bewerben, und seine Leidenschaft für Chancengerechtigkeit. Er teilt Herausforderungen und Erfolge aus dem Unterricht und erzählt von einer bewegenden Erfahrung in seiner Klasse. Zudem blickt er auf seine Zukunftspläne in der Bildungs- und Bildungspolitik. 

(c): Anna Stöcher

TFA: Lieber Ken, du bist TFA Fellow 2023. Wo hast Du das erste Mal von Teach For Austria gehört und warum hast Du Dich entschieden, Dich für das zweijährige Social Leadership Programm zu bewerben? 
 

KG: Das erste Mal kam ich durch ein Uniprojekt mit Teach For Austria in Kontakt. Dass ich selbst so bald nach meinem Studium Teil dieses Programms werden würde, war mir damals noch nicht bewusst. Warum habe ich mich beworben? Weil ich für Chancengerechtigkeit brenne! Ich bin selbst das beste Beispiel dafür, dass soziale Mobilität funktionieren kann – als Sohn einer Arbeiterfamilie und erster Akademiker in meiner breiten Verwandtschaft. Ich hatte das Glück, dass meine Familie und meine Lehrer:innen an mich geglaubt haben und mir gezeigt wurde, dass alles möglich ist. Diese Erfahrung hat mich tief geprägt, und ich möchte nun jungen Menschen dieselbe Unterstützung bieten. 

Was waren bis jetzt Deine größten Herausforderungen an der Fachmittelschule und was hast Du dabei gelernt?
 

Die größte Herausforderung ist es, innerhalb von 50 Minuten differenziert zu unterrichten – so, dass weder Schüler:innen überfordert noch unterfordert sind. In meinen Klassen, in denen sich Schüler*innen mit sehr unterschiedlichem Vorwissen befinden, ist das besonders anspruchsvoll. Aber genau das macht den Beruf so spannend: Jede Stunde ist eine neue Herausforderung, und kein Tag gleicht dem anderen.

Für mich persönlich war es vor allem anfangs schwierig, bestimmte Aussagen oder Verhaltensweisen der Schüler:innen nicht persönlich zu nehmen. Gerade in der Pubertät spiegeln Kinder oft die Meinungen ihres Umfelds wider und kämpfen mit eigenen Unsicherheiten. Ihr Verhalten erklärt sich oft aus ihrem Hintergrund, auch wenn es nicht immer gerechtfertigt ist. Ich habe gelernt, mit direkten und manchmal herausfordernden Äußerungen umzugehen und mich von den privaten Geschichten der Schüler:innen emotional besser abzugrenzen.

Wie prägt Dich Dein Studium und Arbeits-Background als Fellow in der Mittelschule?
 

Ich habe Internationale Betriebswirtschaft an der WU Wien und anschließend Nachhaltige Wirtschaftsentwicklung an der University of Glasgow studiert. Aufgrund meines wirtschaftlichen Hintergrunds unterrichte ich vor allem Mathematik, Betriebswirtschaftliche Grundlagen, Politische Bildung, Wirtschaft und Ökologie. Besonders wertvoll ist, dass ich während meines Studiums Berufserfahrung in der Privatwirtschaft sammeln konnte. Meine Schüler:innen sind immer besonders aufmerksam, wenn ich Anekdoten aus dem echten Leben erzähle – sei es über wirtschaftliche Zusammenhänge, Bewerbungsgespräche oder den Arbeitsalltag. Das macht den Unterricht praxisnah und greifbar.

Zur Person

Ken Goigner hat Internationale Betriebswirtschaft an der WU Wien und anschließend Nachhaltige Wirtschaftsentwicklung an der University of Glasgow studiert und war während seines Studiums im Rahmen seines Erasmus Aufenthalts in Kolumbien. Nach seiner Zeit als TFA Fellow an einer Polytechnischen Schule in Wien strebt er eine Karriere in der Bildungspolitik an. 

„Weil ich für Chancengerechtigkeit brenne! Ich bin selbst das beste Beispiel dafür, dass soziale Mobilität funktionieren kann"

Ken Goigner, TFA Fellow 2023

Inwiefern hast Du von der 12-wöchigen Sommerakademie profitiert? Wie unterstützt Dich das Coaching durch Deine Trainerin/Deinen Trainer?
 

Die Sommerakademie hat mir nicht nur pädagogische Grundlagen vermittelt, sondern mich auch Teil einer starken Kohorte werden lassen. Durch gruppendynamische Übungen haben wir uns gegenseitig unterstützt und wussten, dass wir nicht alleine in dieses Abenteuer starten. Das hat mir den Einstieg enorm erleichtert. Zudem haben wir viele Werkzeuge zur Selbstreflexion kennengelernt und konnten Unterrichtsmethoden in Simulationen oder Praxiswochen direkt ausprobieren.

Mein regelmäßiges Coaching durch meine Trainerin ist eine große Unterstützung. Es gibt mir Raum zur Reflexion und hilft mir, neue Strategien zu entwickeln – sei es für den Unterricht oder den Umgang mit herausfordernden Situationen.

Worauf bist Du als Lehrkraft besonders stolz? Kannst Du uns eine Erfolgsgeschichte erzählen?
 

Besonders stolz bin ich auf meine Schüler:innen – darauf, wie sie wachsen, selbstbewusster werden und lernen, für sich und andere einzustehen. Als Klassenvorstand habe ich zudem die Verantwortung, als Bindeglied zwischen Schüler:innen, Eltern, Kollegium und Direktion zu agieren. Diese Rolle ermöglicht es mir, aktiv zu gestalten und meine Klasse als positives, inklusives Umfeld zu formen.

Ein Moment, der mir besonders in Erinnerung geblieben ist, war, als Schüler:innen, die vorher keine Berührungspunkte mit vielfältigen sexuellen Orientierungen hatten, am Schuljahresende aus eigenem Interesse Fragen dazu stellten. Sie haben sich getraut, neugierig zu sein, und eine respektvolle Diskussionskultur entwickelt, in der sie sich gegenseitig zuhören und offen mit neuen Perspektiven umgehen. Das zeigt mir, dass sich meine Arbeit lohnt – nicht nur fachlich, sondern auch in Bezug auf gesellschaftliche Werte

„Besonders stolz bin ich auf meine Schüler:innen – darauf, wie sie wachsen, selbstbewusster werden und lernen, für sich und andere einzustehen.“

Ken Goigner, TFA Fellow 2023

Wie nutzt Du das Netzwerk von Teach For Austria und die Teach For All Community?
 

Das TFA-Netzwerk ist für mich eine unschätzbare Ressource. Viele spannende Lernangebote für meine Schüler:innen haben sich aus diesem Netzwerk ergeben – sei es durch etablierte Programme wie die TFA Week oder durch selbstorganisierte Projekte. So sind beispielsweise Workshops zur künstlerischen Anwendung von Künstlicher Intelligenz oder simulierte Interviewtrainings mit Unternehmensberatungen entstanden.

Zudem nutze ich das internationale Teach For All Netzwerk, um Einblicke in Bildungsinitiativen anderer Länder zu gewinnen. Egal ob Bildungsreise oder der Austausch mit Fellows in anderen Ländern – Erfahrungen wie diese eröffnen mir viele neue Perspektiven. 

Was sind Deine Pläne für die Zukunft?
 

Ich möchte zurück an die Uni und einen Master oder PhD in Bildungs- oder Public Policy absolvieren, um bildungspolitische Maßnahmen auf institutioneller Ebene umzusetzen. Mein Ziel ist es, entweder in der österreichischen Bildungspolitik aktiv mitzuwirken oder auf europäischer bzw. internationaler Ebene – beispielsweise bei Organisationen wie UNICEF oder der UNESCO – an nachhaltigen Bildungsreformen zu arbeiten.

Was würdest Du jemandem raten, der überlegt, das Social Leadership Programm von Teach For Austria zu machen?
 

Bewirb dich heute noch! Die zwei Jahre werden wie im Flug vergehen, weil dir nie langweilig wird und du dich auf eine ganz neue Art und Weise als Führungskraft in einem sozialen Umfeld weiterentwickeln kannst. Es ist eine intensive, herausfordernde, aber unglaublich bereichernde Erfahrung.

Was bedeutet Leadership persönlich für Dich?
 

Leadership bedeutet für mich, Verantwortung für eine Gruppe zu übernehmen – aber nicht, um für sie zu arbeiten, sondern mit ihnen gemeinsam eine Vision zu entwickeln und umzusetzen. Es geht darum, Potenziale zu erkennen, Menschen zu befähigen und eine Kultur des gegenseitigen Respekts zu schaffen.

„Leadership bedeutet für mich, Verantwortung für eine Gruppe zu übernehmen – aber nicht, um für sie zu arbeiten, sondern mit ihnen gemeinsam eine Vision zu entwickeln und umzusetzen.“

Ken Goigner, TFA Fellow 2023

Vielen Dank für das Gespräch, lieber Ken!

—  März 2025

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