Vom Privatsektor in den Kindergarten: Maries Weg zu Teach For Austria
Marie, Teach For Austria Fellow 2023 im Kindergarten, erzählt von ihrem Wechsel aus der Unternehmenswelt in den Bildungssektor und ihren Erfahrungen als pädagogische Fachkraft im Kindergarten. Sie teilt ihre wichtigsten Learnings aus dem Social Leadership Programm und Anekdoten aus ihrem Alltag.

TFA: Liebe Marie, Du warst TFA Fellow 2023. Was genau hast Du davor gemacht und warum hast Du Dich für das Social Leadership Programm von Teach For Austria beworben?
MC: Ich habe Jus und Erziehungswissenschaft studiert, aber mein Weg hat mich zunächst in die Firmenwelt geführt. Fast zehn Jahre lang habe ich im Privatsektor gearbeitet – eine Zeit, in der ich viel gelernt habe. Doch irgendwann wurde mir klar, dass ich wieder in den sozialen Bereich zurückkehren wollte bzw. war ich von meiner Erfahrung bei Apprentis d’Auteuil – größte französische Stiftung im Dienst benachteiligter Kindern – noch geprägt. Ich wollte vor allem in meiner Arbeit einen tieferen Sinn finden. Als ich von Teach For Austria hörte und deren Engagement für Bildungsfairness entdeckte, war es sofort klar: Hier möchte ich mitmachen. Ich habe mich beworben – und würde diese Entscheidung heute noch genauso treffen!
Zur Person
Marie-Violaine de Crevoisier hat Jus und Erziehungswissenschaften studiert. Vor dem zweijährigen Social Leadership Programm war sie zuerst im Privatsektor tätig.
„Ich wollte vor allem in meiner Arbeit einen tieferen Sinn finden."
Du warst TFA Fellow im Kindergarten. Warum hast Du Dich für den Kindergarten entschieden?
Zu Beginn war ich ziemlich unschlüssig und schwankte zwischen dem GO-Track (Mittelschule) und dem READY-Track (Kindergarten). Damals gab es den SET-Track (Volksschule) noch nicht, sodass diese zusätzliche Auswahl für mich nicht in Frage kam. Am Ende habe ich mich für den Kindergarten entschieden, weil ich das Kind wirklich in seiner gesamten Entwicklung begleiten wollte. In der Schule muss man sich als LehrerIn auf Fachinhalte fokussieren, während im Kindergarten eine viel breitere Palette an Kompetenzbereichen gefördert wird. Als kreativer Mensch fand ich diese Vielfalt unglaublich spannend. Besonders, weil Kinder in diesem Alter so spontan und neugierig sind. Wenn ich heute zurückblicke, kann ich sagen, wie erfüllend es ist, das Interesse und die Begeisterung der Kinder zu spüren, wenn man ein Bildungsangebot sorgfältig vorbereitet hat. In der Pubertät ist das nicht immer so einfach!
„Als kreativer Mensch fand ich diese Vielfalt im Kindergarten unglaublich spannend.“
Wie hat ein typischer Tag im Kindergarten bei Dir ausgesehen?
Damit die Kinder die pädagogischen Angebote optimal annehmen, ist es wichtig, sie ihnen zu einem geeigneten Zeitpunkt des Tages anzubieten. In jedem Kindergarten gibt es gewisse Rituale und einen definierten Tagesablauf. Der/ie Fellow soll sich die bestgeeignete Zeitphase für seine/ihre Wirkung herausfinden.
In meinem Kindergarten würde ich die Kernzeiten von 09:00 bis 14:00 sehen. Vor 08:00 waren nur wenig Kinder da. Meine Anwesenheit wäre in dieser Zeit vom Team nicht geschätzt, da diese Zeit eher ruhig war. Auch die Kinder hätten von meiner Anwesenheit nur wenig mitgenommen, da sie in der Früh Zeit zum Ankommen brauchen.
Ab 09:00 kam die Gruppe in den Morgenkreis zusammen. Meine Anwesenheit war hier sehr wichtig, damit ich als Teil der Gruppe gesehen wurde und auch damit ich mich selbst als Teil der Gruppe fühlte. Weiterhin war der Morgenkreis ein wichtiger Ort für meine Beobachtungen (Gruppendynamik, aktuelle Gruppenthemen, usw.). In meinem Standort habe ich den Morgenkreis einmal der Woche bzw. an dem Tag, an dem meine Pädagogin später angefangen hat, den Morgenkreis selbstständig geleitet. Ich konnte diese Gelegenheit nutzen, um selbstentschiedene Themen einzuführen, die mir als Grundlage für individuelle Förderung oder Förderung in Kleingruppen später in der Woche gedient haben.
Ab 09:45 fand die Hauptkonzentrationsphase des Tages statt. Und genau in dieser Zeit habe ich am meisten bewirken können bzw. waren die Kinder am aufnahmefähigsten. Auch Kleingruppenangebote waren in dieser Zeit im Hinsicht auf das Gruppenprogramm am besten geeignet.
Anfang des Nachmittags war eine erneute Konzentrationsphase mit den Arbeitsblättern. Meine Anwesenheit machte hier Sinn entweder um bestimmte Kinder im letzten Kindergartenjahr bei ihrer Vorschularbeit persönlich zu begleiten, oder um jüngere Kinder gezielte und individuelle Unterstützung zu geben.
Im Laufe des Nachmittags wurden die Kinder zu verschiedenen Zeiten abgeholt. Einige Kinder, die länger blieben, hatten ihre Konzentrationsquote für den Tag bereits ausgeschöpft.
Interessant, wie viele Stunden hast Du in deiner Arbeitswoche direkt mit den Kindern gearbeitet?
Ich habe mich für den Teilzeit-Vertrag bzw. 32 Stunden pro Woche entschieden. Das sind dann 27 Stunden Kinderdienst und 5 Stunden Vorbereitungszeit.
Mo.-Mi. : 08:30-14:30 Kinderdienst
Do. : 08:30-14:00 Kinderdienst
Fr. : 08:30-12:00 Kinderdienst
Dazu fünf Stunden Vorbereitung, die ich am Abend unter der Woche oder am Wochenende bei mir zu Hause erledigt habe.
Danke für den Einblick. Und was war Dein größtes Learning im Social Leadership Programm?
“Better done than perfect!” Diesen Spruch, den ich während eines Workshops im Rahmen der Leadership-Ausbildung gehört habe, war der Auslöser für mich. Ich war früher sehr perfektionistisch. Alles musste fehlerfrei sein – vor allem meine Bildungsangebote. Doch im Kindergarten habe ich schnell gemerkt, dass dieser Wunsch, alles perfekt zu machen, mich stark ausbremste. Oft hatte ich eine tolle Idee, aber als ich sie endlich umsetzen wollte, war die Gelegenheit schon vorbei – die Kinder hatten plötzlich andere Bedürfnisse oder Interessen, oder die Pädagogin hatte schon das nächste Thema gestartet. Ich war also oft zu spät. Nach dem Workshop habe ich beschlossen, das Motto ‘Better done than perfect!’ zu übernehmen. Ich habe gelernt, meine Unvollkommenheit zu akzeptieren – und das hat mir neuen Schwung und viel mehr Selbstvertrauen gegeben.
„Better done than perfect!“
Worauf warst Du als pädagogische Fachkraft besonders stolz? Erzähle uns gerne eine Erfolgsgeschichte von den Kindern in Deinem Kindergarten!
Ich erinnere mich besonders an einen Morgenkreis, in dem ich den Kindern die Geschichte von Peter und der Wolf erzählte. Ein Kind war scheinbar ganz dagegen und legte sich einfach unter einen Tisch. Trotz meiner Enttäuschung angesichts dieser demonstrativen Opposition, respektierte ich seine Entscheidung und sagte: „Wann immer du bereit bist, kannst du dich uns anschließen.“ Ich erzählte die Geschichte zu Ende, als plötzlich die Leitung den Raum betrat, um uns zu begrüßen. In dem Moment rief das Kind von unter dem Tisch: „Susanne! Susanne! Weißt du… der Peter… nein, der Wolf… der Wolf hat die Ente runtergeschluckt!“ Es war ein wunderschöner Moment – und ein tolles Beispiel dafür, wie ein kleiner, behutsamer Anstoß auf Kinder wirken kann und was sie von unseren Bildungsangeboten wirklich mitnehmen. Die Kinder überraschen uns immer wieder!

Danke Dir liebe Marie für Dein Wirken und die spannenden Einblicke, die Du uns gegeben hast! Wir freuen uns, dass Du Teil der TFA Community bist!
— März 2025